p. 65 . DER TRANSFERSCHLÜSSEL, DAS BETRIEBSKAPITAL UND DIE TRANSFERKOSTEN DER HAAVARA 8. Der TransferSchlüssel Um allen am Transferaufkommen beteiligten Personen, Gesellschaften und Institutionen gerecht zu werden, bestimmte ein „Transferschlüssel“ den Anteil der betreffenden Gruppe am Transfererlös der Haavara in Bardevisen oder in palästinensischen Wertpapieren. Die Abstimmung dieser verschiedenen Interessen von individuellen Einwanderern, von aus sozialen Gründen bevorzugten Transferenten, landwirtschaftlichen Siedlern, zionistischen Fonds, Wohlfahrtsinstitutionen und Wirtschaftsunternehmungen Palästinas war eine der Hauptaufgaben des Board of Directors der Haavara. In großen Zügen mußte der Transferschlüssel auch von Zeit zu Zeit mit dem deutschen Reichswirtschaftsministerium abgestimmt und von ihm genehmigt werden. Ferner mußte die Jewish Agency, als Aufsichtsbehörde des Haavara-Systems in Palästina, dem Schlüssel zustimmen. Nach dem Transferschlüssel wurden 75 °/o des Bartransferaufkommens für die einzelnen Auswanderer nach der Reihenfolge ihrer Vorzeigegeld-Anmeldung reserviert. Die restlichen 25% kamen sowohl den jüdischen Institutionen zugute, durch deren Arbeit die Einordnung der Einwanderer aus Deutschland erleichtert wurde, sowie den aus sozialen Gründen bevorzugten Transferkategorien. In die 25% teilten sich insbesondere: der Spendentransfer für die nationalen Fonds, Keren Hajessod und Keren Kajemeth, die für die Einwanderung und Einordnung der Unbemittelten sorgten; die Jugendalija, welche der Auswanderung und Rettung der Jugendlichen diente; der Transfer von Schulgeldern und Lebensunterhalt für Schüler und Studenten; der Transfer von Pensionen der auf Rentnerzertifikat eingewanderten Beamten und Rentner; der Transfer für besondere Dringlichkeitsfälle, z. B. für Siedler in landwirtschaftlichen Siedlungen; der Härtefonds der Haavara für Notfälle von verarmten eingewanderten Trans ferenten. Im Bartransfer für das Einwanderungszertifikat wurden die 75% des Transfererlöses bis Ende 1938 nach der Nummernfolge der Registrierung und Einzahlung bei der Paltreu-Berlin abgerufen. Zu jener Zeit hat das Reichswirtschaftsministerium, wie früher geschildert, unter dem Druck der Araber und der deutschen Palästina-Kolonisten den Kreis der zum Transfer zugelassenen Waren in einer Positiv-Liste zusammengefaßt und auf diese Weise stark eingeschränkt. Mit Einführung dieser Positiv-Liste, welche die Haavara der wichtigsten Einfuhrwaren beraubte, sank der Warentransferumsatz naturgemäß stark ab. Die Aufgabe war nun, die dann noch zur Verfügung stehenden Devisen einer möglichst großen Zahl von Personen zukommen zu lassen. Des p. 66 halb wurde der Bartransfer-Erlös nicht mehr zur Beschaffung neuer Einwanderungszertifikate mit je LP 1000,- verwandt; vielmehr wurde das Devisenaufkommen gemäß Dringlichkeitsbescheinigungen des Berliner PalästinaAmts verteilt. Ein Teil der Empfänger dieser Transferbeträge waren bereits in Palästina eingewanderte Personen, welche sich die Einwanderungsmöglichkeit selbst verschafft, aber noch keinen Haavara-Vermögenstransfer erhalten hatten. Der Eingewanderte konnte andernfalls seine in Deutschland blockierten Bankguthaben nur als Auswanderersperrmark verkaufen, mit einem Disagio, das zum Schluß, bei Kriegsausbruch, bis zu 96% stieg. Die zugeteilten Beträge schwankten je nach Familiengröße zwischen LP 125,- und LP 400,- und wurden teils in bar und teils in Transfer-Wertpapieren ausgezahlt. Insgesamt sind auf diese Weise allein in den Jahren 1938/39 über das Vorzeigegeld-Kontingent der Haavara für über 1100 Familien von Einwanderern nach Palästina mehr als LP 283 000,- in Form dieser kleineren Zuteilungen transferiert worden. 9. Das Problem des Haavara-Betriebskapitals Die beiden zur Durchführung des Flaavara-Transfers gegründeten Treuhandgesellschaften, Paltreu und Haavara, hatten bei ihrer Gründung nur ein kleines Gesellschaftskapital von RM 20 000,- bzw. LP 100,- erhalten. Die Arbeit der Haavara, insbesondere die Bezahlung der deutschen Exportlieferungen nach Palästina oder nach anderen Nahost-Ländern sowie die Unterstützungszahlungen erforderten jedoch laufend Betriebsmittel von mehreren Millionen Reichsmark. In der Zeit bis 1938 lieferten die Kapitaleinzahlungen der Auswanderungskandidaten das notwendige Betriebskapital. Sie mußten zwecks Erlangung des Vorzeigegeldes einen Teil des Transfergegenwertes in Reichsmark auf den Bankkonten der Haavara deponieren. Außerdem konnten Transferenten weitere Beträge für spätere Transfermöglichkeiten einzahlen; dies wurde von den Auswanderungsinteressenten gern getan, da sie ein Kündigungsrecht für das Guthaben hatten und andererseits das Geld auf dem Ausländerkonto der palästinensischen Gesellschaft Haavara Ltd. vor Zugriff durch die Behörden des nationalsozialistischen Regimes besser geschützt war, als auf dem eigenen Bankkonto. So konnte die Haavara ohne eigenes Kapital stets über ein rotierendes Betriebskapital von Millionen Reichsmark verfügen. Dieses System ermöglichte einen „Vortransfer“ von eingezahlten Auswanderungsguthaben durchzuführen und mit den angesammelten Devisen von Zeit zu Zeit die der Reihenfolge nach berechtigten Einzahler zur Auswanderung zu bringen. Mit der zunehmenden Verfolgung der Juden in Deutschland, die auch Beschlagnahmen oder Blockierungen der Bankguthaben und Wertpapiere von p. 67 jüdischen Auswanderungsinteressenten — zwecks „Sicherstellung“ von Sonder¬steuern der Auswanderer oder unter anderen Vorwänden — mit sich brachte, begann der Strom der Einzahlungen geringer zu werden. Für die Haavara entstand dadurch das Problem einer Betriebsmittelknappheit, und zwar gerade Ende 1937, zu einer Zeit, in der die Haavara den größten Transferumsatz erreichte. Die Zuspitzung der Lage gipfelte in den Synagogenbränden und Plünderungen in der „Kristallnacht“ vom 9. November 1938 und der Verbringung von Tausenden von Juden in Konzentrationsläger. Die Regierung erließ im November 1938 eine Reihe von Gesetzen, in denen den Juden u. a. als Strafe für das Attentat auf den deutschen Botschaftsrat vom Rath in Paris eine Sühneabgabe (Judenvermögensabgabe) von einer Milliarde Reichsmark auferlegt, jüdische Bankguthaben blockiert und andere wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen verfügt wurden. Oft mußten vorgemerkte Auswanderungskandidaten Gelder bei der Paltreu in Berlin kündigen, um diese Judenvermögerlsabgabe zahlen zu können. Diese neue Situation stellte die Haavara vor die Tatsache, daß zwar die Anforderung von Markzahlungen für Exportgüter und den Finanztransfer weiterlief, die Auswanderer aber oft über keine liquiden Mittel mehr zur Einzahlung des Reichsmark-Transfergegenwertes bei der Haavara verfügten. Die Reichsmark-Einzahlungen, die noch im Jahre 1938 im Durchschnitt fast 1 Million monatlich betrugen, fielen im ersten Quartal 1939 im Durchschnitt auf ein Zehntel dieses Betrages. Das Reichswirtschaftsministerium und die Reichsbank wagten in jener Zeit nicht, für eine Ausnahmestellung der Transferenten hinsichtlich der Blockierung jüdischer Guthaben einzutreten. Sie rieten der Geschäftsführung der Haavara, sich anderwärts zu helfen. In dieser Lage gelang es der Haavara in England von der AngloForeign Securities Ltd., einer Tochtergesellschaft der Bank Hambros, London, einen Kredit von 2 Millionen Reichsmark zu erhalten - freilich in einer Form, die die Haavara mit einem nicht unerheblichen Kursrisiko belastete. Auf diese Weise hat die Haavara jene kritische Periode der wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen gegen die Juden in Deutschland in den Jahren 1938/39 ohne Einstellung der noch vorhandenen Transfermöglichkeiten überwinden können. Anfang Juli 1939, als der Kreditvertrag noch gültig war und es schon Gerüchte über einen Kriegsausbruch gab, hatte der Verfasser Gelegenheit, in Paris den Präsidenten der Zionistischen Organisation Dr. Chaim Weizmann zu sprechen. Er legte ihm die Lage der Haavara und insbesondere der auf Auswanderung wartenden deutschen Juden dar und fragte ihn: „Gibt es Krieg und wann?“ Die Antwort von Dr. Weizmann war von größter Klarheit und Bestimmtheit: „Alle maßgebenden Politiker in London und Paris erklären, Hitler wird in diesem Jahr den Krieg beginnen, ungefähr gegen Ende August. Bringen Sie die auswanderungsbereiten Menschen schnellstens aus Deutschland heraus.“ Der Rat von Weizmann wurde befolgt, und einige p. 68 hundert auswanderungsbereite Juden konnten sich noch kurz vor Kriegsausbruch nach Palästina retten. Die Abdeckung des ausstehenden Kreditbetrages konnte rechtzeitig mit einem kleinen Kursverlust durchgeführt werden. Anfang September 1939 brach der Krieg aus, und die der Auswanderung dienende Waren-Transfertätigkeit der Haavara fand ihr Ende. 10. Die Kosten des Vermögenstransfers Für den Auswanderer war es überaus wichtig, mehrere Monate vor seinem Abruf zur Auswanderung zu wissen, wieviel Reichsmark die Haavara ihm im Zeitpunkt des Abrufs einschließlich der Transferkosten berechnen würde. Die Haavara mußte daher nach einem System der Umlegung der Transferkosten (Preisausgleich-Bonifikation und Verwaltungskosten) arbeiten, das möglichst lange einen gleichbleibenden Transferkostensatz gestattete. Dies ist, wie Tafel 4 auf Seite 69 zeigt, in den sechs Jahren der Geschäftstätigkeit der Haavara bis zum Kriegsausbruch gelungen. Für den eigentlichen Apparat der Haavara waren in den Kosten netto nur 2,25 % enthalten, während der gesamte Rest auf den Preisausgleich der deutschen Ware oder das Disagio der Unterstützungsmark entfiel. Die Hauptkategorie der Transferenten - die Einwanderer auf Kapitalistenzertifikat Al- konnte ihre LP 1000,- Vorzeigegeld in den verschiedenen Transferabschnitten bis Kriegsausbruch wie folgt transferieren: LP 1000,- ... Bis 31. 3. 1936 ... über Reichsbankzuteilung für RM 12 500,- bis RM 15 000,- Vom 1. 4. 1936 bis 16. 2. 1937 (10 Monate) über Haavara RM 17 500,- vom 17. 2. 1937 bis 27. 5. 1938 (15 Monate) über Haavara RM 20 000,- vom 28. 5. 1938 bis 30. 9. 1938 ( 4 Monate) über Haavara RM 26 660,- vom 1. 10. 1938 bis 2.9. 1939 (11 Monate) über Haavara RM 40 000,-. Wieviel günstiger der Vermögenstransfer und die Auswanderung nach Palästina über die Haavara im Vergleich zu der Auswanderung nach anderen Ländern war, zeigt der Vergleich der Transfererlöse in Tafel 4. Noch in der letzten Auszahlungsperiode vor Kriegsausbruch erhielt der VorzeigegeldEmpfänger einen Erlös von 32% des offiziellen Kurses der deutschen Reichsmark, während Auswanderer nach anderen Ländern nach dem Diktat der Deutschen Golddiskontbank 96% verloren und nur 4% in Devisen ausgezahlt erhielten. Im Gegensatz zu den sich dauernd ändernden und meistens weiter absinkenden Sperrmarkkursen konnte die Haavara in den vier wichtigsten Auswanderungsabschnitten eine verhältnismäßig lange Zeit den Transferkostensatz stabil halten. Die Haavara betrachtete es als ihre Verpflichtung, die Kosten der Umwandlung der blockierten jüdischen Reichsmark in Deutschland in freie palästinensische Währung nach einem sozial ausgewogenen System zu verteilen. Das p. 69 Tafel 4 Erlös des Auswanderers im Prozentsatz des zum Transfer eingezahlten Reichsmarkbetrages Vergleich des Prozentsatzes, den der Auswanderer für seine Reichsmarkeinzahlung von 1933 bis zum 2. 9. 1939 erhielt: (a) für den Fall der Auswanderung nach Palästina (LP 1000,- Vorzeigegeld) (b) für den Fall der Auswanderung in andere Länder (durch Verkauf von Auswanderer-Sperrmark). Direkte Vorzeigegeld-Zuteilung für Palästina durch die Reichsbank Vorzeigegeld-Zuteilung durch Haavara Verkaufserlös für Auswanderer-Sperrmark für die Einwanderung benötigte Vorzeigegeld des Einwanderers im Betrage von je LP 1000,- wurde mit geringeren Kosten belastet als ein weiterer Transfer zusätzlichen Vermögens (über RM 10 000,- hinaus). Die berechtigten Interessen kapitalschwacher Personen (wie Schüler und Rentner) und die Förderung der landwirtschaftlichen Ansiedlung wurden mit niedrigeren Kostensätzen belastet. Der geringste Transferkostensatz war 15-22% (z. B. für Pensionäre) und der höchste 35-50 % (z. B. für Touristik). Der größte und die Höhe der Transferkosten bestimmende Teil der Kosten war die Preisausgleich-Bonifikation. Die Transferkosten stiegen von Jahr zu Jahr. Die sich für den Haavara-Export dauernd verschlechternde Warenliste schloß immer mehr Waren und Warengruppen aus, in denen Deutschland auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig war, und beließ solche, in denen die Ausfuhr schwer oder unmöglich blieb. Auch im Finanztransfer (besonders für die Unterstützungsmark) wurde durch den schlechter werdenden Auslandskurs der deutschen Mark der Transferaufwand immer größer und der Erlös immer kleiner. Im Jahre 1939 betrug der Transferkostensatz für einzelne Großabschlüsse nach Ländern außerhalb Palästinas sogar 68 %. p. 70 Die Entwicklung der Transferkosten als Ausgleich der Schwankungen in den Preisausgleich-Bonifikationen und in den Markkursen -in allen Transfergruppen - zeigt folgende Aufstellung für die Jahre 1934 bis 1939: Transferkosten (ausschließlich Verwaltungsgebüh Transferkosten (ausschließlich Verwaltungsgebühren) in allen Transfergruppen 1934-1939 Transfer-Art Transfer-Jahr Warentransfer nach Palästina 6 11,92 21,64 38,31 39,64 53,40 Warentransfer nach Nahost-Ländern _ 30 36,62 47,33 48,06 61,10 Warentransfer nach anderen Ländern (bei einzelnen Großabschlüssen) 46,44 48,67 56,63 68,04 Finanztransfer aller Art - - 29,93 47,79 54,76 58,00 Die eigentlichen Verwaltungskosten des gesamten internationalen Transferapparates der Haavara in Palästina und im Ausland — mit der Notwendigkeit, Tausende von Konten zu führen — waren durchschnittlich 4°/o und ermäßigten sich durch Transfergebühreinnahmen, die die Haavara für ihre Mitwirkung im Eigen-, Bau-, Emissions- und Zitrustransfer erhielt, auf tatsächlich nur 2,25 %. Noch im letzten Transferjahr stand demgemäß ein Kostensatz von Noch im letzten Transferjahr stand demgemäß ein Kostensatz von 53,4% bis 68,04% einem Verlust von 95% im Fall des Sperrmarkverkaufs gegenüber. 77 15. Die Haavara als Einwanderungsfaktor Die im vorstehenden beschriebene Transfertätigkeit, der Haavara diente ausschließlich der Einwanderung von Juden aus Deutschland nach Palästina und konnte nach den für die Haavara geltenden Bestimmungen der deutschen Regierung nur Anwendung finden auf Juden, die im Zeitpunkt der Macht¬ ergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland ansässig waren. Der Plan der Haavara, den Transfer nach dem „Anschluß" auch auf Österreich aus¬ zudehnen, wurde durch persönliche Intervention von Eichmann vereitelt. Auch die später erwähnten Transferverhandlungen in Ost- und Südosteuropa zeitigten bis zum Kriegsausbruch keine praktischen Resultate. Im Wirkungsfeld der Haavara wanderten von 1933 bis zum Kriegsaus¬ bruch aus Deutschland rd. 50 000 Juden nach Palästina ein; diese Zahl schließt ca. 20 % in Deutschland ansässiger Juden fremder Staatsbürgerschaft mit ein, fast drei Viertel davon mit polnischer Staatsbürgerschaft. Der HaavaraTransfer übte einen entscheidenden Einfluß auf den Umfang und die Zusammensetzung der Einwanderung aus Deutschland aus. IhreBesonderheit spiegelt sich in dem Anteil wider, den die einzelnen Immigrationskategorien an der Einwanderung aus Deutschland hatten. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Vergleich der aus Deutschland Eingewanderten mit der Gesamteinwanderung nach Palästina für die Jahre 1933—1942, auf Grund der von der Jewish Agency durchgeführten Statistik1 78 Die Tabelle zeigt den im wesentlichen auf den Transfer zurückzuführen den hohen Anteil (36%) von Kapitalisten an der Einwanderung aus Deutschland, verglichen mit der Gesamteinwanderung (19,9%). Demgegenüber weisen die Kategorien der unbemittelten Einwanderer „C“ und „D“ - Arbeiter und „dependents“ - einen erheblich niedrigeren Anteil für Deutschland gegenüber der Gesamteinwanderung auf. Bemerkenswert ist auch der hohe Prozentsatz der Schüler und Jugendlichen - Kategorie B 3 -im Rahmen der Einwanderung aus Deutschland, der dem Werk der Jugendalija zuzuschreiben ist, das ohne den Haavara-Transfer nicht möglich gewesen wäre. Die unterschiedliche und großenteils transferbedingte Zusammensetzung der Einwanderung aus Deutschland wirkte sich auch in ihrer Altersstaffelung aus. Die folgende Tabelle zeigt die von der Jewish Agency registrierten Altersstufen der Einwanderung aus Deutschland, verglichen mit den entsprechenden Prozentsätzen der Gesamteinwanderung18. Wie die Tabelle zeigt, wirkte sich die relativ kleinere Arbeitereinwanderung aus Deutschland in ihrem verhältnismäßig kleineren Anteil an der Altersstufe 21-30 Jahre aus, während die Altersklassen 31-40 und 41-50 Jahre gegenüber der Gesamteinwanderung größer sind. Das durchschnittliche Alter der Einwanderung aus Deutschland ist daher relativ höher als das Durchschnittsalter der Gesamteinwanderung; von den Einwanderern aus Deutschland waren 57,8% unter 30 Jahren gegenüber 64,4% der Gesamteinwanderung. In den beiden vorstehenden Tabellen ist die Einwanderung aus Deutschland der Gesamteinwanderung gegenübergestellt; in den Zahlen der letzteren sind aber auch die Einwanderer aus Deutschland enthalten, wodurch die Unterschiede in gewissem Umfang verringert werden. Bei einem Vergleich der Einwanderung aus Deutschland mit der aus allen übrigen Ländern, d. h. unter Ausschluß von Deutschland, wären die Unterschiede erheblich drastischer, besonders bezüglich der Kapitalisten-Einwanderer, von denen in dem Zeitraum 1933-1940 annähernd die Hälfte aus Deutschland kam. Die Auswirkung des Haavara-Transfers auf die Zusammensetzung der Einwanderung war natürlich von großer Bedeutung für die Einordnung der Einwanderer, wobei der von der Haavara durchgeführte zusätzliche Vermögenstransfer - über das Vorzeigegeld hinaus - eine gewichtige Rolle spielte. Die dadurch ermöglichte wirtschaftliche Betätigung und die Transaktionen der Haavara für den privaten und öffentlichen Sektor waren von größter Be¬ deutung für den Aufbau des Landes, wie in Kapitel III eingehender dargestellt wird. Aber auch für den Umfang der Einwanderung aus Deutschland war der Transfer von ausschlaggebender Bedeutung: die Haavara transferierte, nach dem Versiegen der Reichsbankdevisen im Jahre 1935, das Vorzeigegeld für die Kapitalisten-Einwanderer mit ihren Angehörigen, von denen ein Teil noch